Adidas und Puma – innerfamiliäre Konkurrenz verbaute den Blick auf Nike

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LESEPROBE – leicht überarbeitet – aus: (2016) Waibel, Jochen: Kommunikationskultur in Familienunternehmen. Unternehmer im Gespräch – von Führungsverantwortung über Konfliktlösung bis zur Nachfolgeregelung. Haufe Verlag

Heute kämpft der neues Adidas-Chef Kasper Rosted (Nachfolger von Herbert Hainer) in Herzogenaurach darum, den Abstand zu Primus Nike zu verringern, also den Markt in den USA zu erobern. Das wird höchste Zeit, denn es ist eine alte Geschichte, sich innerfamiliär zu streiten und dabei die Konkurrenz aus den Augen zu verlieren. Dies lehrt die Erfahrung um die erfolgreichen und auf eine Art doch gescheiterten Gebrüder Dassler.

Lesen Sie folgenden Auszug aus meinem Buch (Seiten 134-136):

Eine anschauliche Geschichte zum Thema »Vergegnung«, also dem Verpassen von Begegnung und Kontakt, liefern die Geschichten um Adidas und Puma. Dieses Beispiel des familiären Scheiterns demonstriert, wie die beiden Brüder Dassler es ohne eine Familien- bzw. Wirtschaftsmediation nicht schafften, von der unternehmerischen Entwicklung der Gebrüder Dassler Schuhfabrik auch privat und familiär zu profitieren. Stattdessen kam es zur Aufspaltung der gemeinsamen Familienunternehmung in die konkurrierenden Unternehmen Adidas und Puma und damit letztendlich zum Ende des
Familienunternehmens.
Am Anfang stand der Pioniergeist der Gebrüder Dassler. Die Gründer galten
zuerst vermutlich als Spinner. Viele Schuster verloren ihre Arbeit, und gerade
da spezialisierten sich die Dasslers auf Sportschuhe. Da half nur der
Glaube an die eigene Idee, die Gründer wurden zu Visionären. Sie teilten
ihre Kräfte auf und übernahmen jeweils die Bereiche, die sie konnten: Rudi
Dassler übernahm den Verkauf, Adi Dassler die Entwicklung bzw. Herstellung.
Doch das Vertrauen zueinander hielt nicht lange genug, die Basis des
Respekts war äußerst brüchig. Hinzu kamen die Rivalität der beiden Ehefrauen,
Grenzüberschreitungen hinsichtlich der jeweiligen Aufgabenbereiche,
das Rangeln um Zuständigkeiten.
Letztendlich kam es beinahe wie in der biblischen Geschichte von Kain und
Abel, nur dass keiner der beiden Brüder zu Tode kam und auch die Zuordnung
good boy ‒ bad boy nicht stimmig und korrekt ist. Es starb allerdings das Vertrauen,
die tiefe brüderlich emotionale Verbindung, versunken im Hass.
So wurden aus einem Familienbetrieb zwei erbitterte Konkurrenten, nebenbei
auch zwei Weltkonzerne. Vielleicht wäre mit einem qualifizierten
Mediator anstelle einer Riege von Anwälten die Schuhfabrik Gebrüder Dassler
gemeinsam gewachsen und möglicherweise heute die Nr. 1 weltweit.
Vor allem wäre der Familie und dem Ort Herzogenaurach die Spaltung erspart
geblieben, die wohl beispielslos ist.
Lothar Matthäus ist hier aufgewachsen in Herzogenaurach, der geteilten
Stadt. In der Mitte fließt der Fluss Aurach, die eine Stadtseite arbeitet für
Puma, die andere für Adidas. Mediation gab es damals in der heutigen Form
noch nicht. So wurde die Stadt von den Brüdern und ihren Mitarbeitern
und Mitstreitern aufgeteilt wie das Wappen. Die Schärpe des Löwen wirkt
vor diesem Hintergrund wie eine Trennlinie durch das Wappen, so wie der
Fluss die Stadt in zwei Hälften trennt.
»Der Streit ging zuerst von den Schwägerinnen aus«, sagt der Archivar von
Puma, Helmut Fischer (in: »Die Sportsfeinde von Herzogenaurach«, Dokumentation
RTL, 25.3.2016). Die Bürger der Stadt wären mit gesenktem Blick
durch die Stadt gegangen, immer prüfend, welche Schuhe das Gegenüber
trug, die richtigen oder die falschen.
1948 fand die Trennung der Brüder statt, wie Georg Hetzler berichtet, früherer
Arbeiter bei den Gebrüdern Dassler. Bei einer Betriebsversammlung
wurden der Bruderstreit und die sich als unausweichlich abzeichnende
Trennung bekannt gegeben.
(…)
Das erste Sponsoring begann, als der Bundestrainer Sepp Herberger von
den Dasslers 1.000 Mark monatlich verlangte. Mit dieser dreist anmutenden
Forderung etablierte sich das Sponsoring-System wie wir es bis heute
kennen. Der Puma-Chef sagte ab, warf den Bundesstrainer hinaus, wie der
Puma-Archivar erzählt. Anschließend erhielt der Adidas-Chef Besuch vom
Trainer mit der Forderung nach finanzieller Unterstützung ‒ und Adi Dassler
sagte zu. Seither ist Adidas Vertragspartner der Nationalmannschaft.
Die konkurrierenden Brüder haben auch hier nicht zusammengearbeitet
bzw. kooperiert. Die Forderung Herbergers wurde vermutlich erst durch die
Konkurrenz der Brüder möglich. Der erste verlor, der zweite gewann. Dabei
verloren sie auch den Blick für das große Ganze, beispielsweise für die Konkurrenz
außerhalb von Herzogenaurach. Den Blick immer auf die andere
Flussseite der Stadt zu richten, machte blind für Unternehmen auf der anderen
Seite des Ozeans: Nike. Ungelöst bleibende Konflikte machen nicht
sehend, Auge um Auge macht die Menschheit und auch Unternehmer blind.
Auch die Söhne Rudolf Dasslers gerieten letztendlich in Streit, sein jüngerer
Sohn Gerd Dassler bestätigt dies. Der erste offizielle Streit ging um das
Testament und Erbe. »Ich kann es nicht anders [wie] als Hass bezeichnen«,
sagt er über seine Beziehung zum älteren Bruder Armin.
»Der Schuh ist gut, den ziehen wir uns an«, kommentierte 1988 pointiert
der erste Manager nach dem Austritt der Familie, Jochen Zeitz, eine erfolgreiche
Imagekampagne nach der Insolvenz von Puma als Familienunternehmen.
Puma gehört heute einer Investorengruppe, adidas ist eine Aktiengesellschaft.
Der ganze Hass verringerte sich mit dem von Adidas-Chef Herbert Hainer
und Puma-Chef Jochen Zeitz initiierten Freundschaftsspiel am 21.9.2009
anlässlich des Weltfriedenstags der UNO. Die beiden gemischten Fußballmannschaften,
zusammengesetzt aus 40 extra dafür ausgelosten Mitarbeitern
beider Firmen sowie einigen Pressevertretern, spielten mit- und
gegeneinander. Sie liefen in schwarzen bzw. weißen Trikots auf, je auf einem
Ärmel das jeweilige Firmenlogo. Schwarz gewann. Das Trikot als limitierte
Kollektion aus 80 Teilen wurde danach zugunsten von PEACE ONE DAY
versteigert. Seither soll die zwischenmenschliche Begegnung und örtliche
Kommunikationskultur in Herzogenaurach wieder stimmungsvoller und
weniger bedrückend sein. Die neuen Chefs bewiesen mediative Führungskompetenz, initiierten die erste gemeinsame Veranstaltung seit der Trennung Ende der vierziger Jahre und reichten sich erstmalig die Hände, eine
Fähigkeit, die die Dassler-Familien so nicht aufbringen konnten.

Leseprobe – leicht überarbeitet – aus:

Waibel,(2016) Kommunikationskultur in Familienunternehmen. Unternehmer im Gespräch – von Führungsverantwortung über Konfliktlösung bis zur Nachfolgeregelung

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Im Buch lesen Sie, mit welcher einseitiger Energie die Gebrüder Dassler den Kontakt zueinander zerstörten und wie sie mit den sieben Kontaktenergien aus der Stimmhaus®-Methode ihren Konflikt hätten bewältigen können.